Rezensionen Südafrika Bücher

Athol Fugard: Tsotsi

Tsotsi wurde Anfang der 60er Jahre geschrieben, konnte jedoch erst 1980 veröffentlicht werden. Dass seine Thematik aktueller denn je ist, zeigt der gleichnamige Film von 2006, für den das Buch als Vorlage diente (Regie: Gavin Hood, mit Presley Chweneyagae in der Rolle des Tsotsi). Der Film Tsotsi erhielt – in der Kategorie »Bester fremdsprachiger Film« – den Oscar 2006.

Tsotsi

Athol Fugard: Tsotsi

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Das Buch

Südafrika in den Zeiten der Apartheid. In den Townships der Schwarzen herrschen Armut, Gewalt und Kriminalität. Kaltblütige Gangs schrecken vor nichts zurück, wenn es darum geht, an Geld zu kommen oder Macht zu demonstrieren. Dazu gehört auch Tsotsi – ein junger Mann ohne Vergangenheit, dessen Zukunft nicht weiter reicht als bis zu seiner nächsten Tat. Doch als ihm eines Tages bei seinen Raubzügen ein Säugling in die Hände fällt, steigen plötzlich auch immer mehr Erinnerungen an seine eigene Kindheit in ihm auf. Erinnerungen, die er bislang erfolgreich verdrängt hat. Und erstmals kommt er ins Nachdenken darüber, wer er ist, was er tut und vor was er davonläuft. Er merkt, dass sein Leben nicht so weitergehen kann wie bisher und dass sein selbstgewählter Name nicht sein Name ist. Denn Tsotsi bedeutet im Ghetto-Slang Gangster.

Tsotsi – Rezension zum Buch

Ein Plädoyer für Menschlichkeit

Tsotsi – das aus einem südafrikanischen Dialekt stammende Wort bedeutet soviel wie schwarzer Gangster oder Gangmitglied. Und genau das ist die gleichnamige Hauptperson in Athol Fugards Roman. In den Tag hineinlebend, gleichgültig gegenüber seiner Umwelt und völlig emotionslos verbringen Tsotsi und seine Bande ihr Leben damit, zu rauben, zu stehlen und zu morden – für Geld, etwas zu essen oder einfach nur aus Langeweile.
Aber Tsotsis Leben erfährt eine abrupte Veränderung, als ihm auf einem seinem Raubzüge zufällig ein Baby in die Hände fällt. Der neu geborene, von seiner Mutter verlassene Säugling erfüllt den jungen Gangster zuerst nur mit Widerwillen. Aber allmählich erinnert sich Tsotsi an seine eigene Kindheit. Bisher erfolgreich Verdrängtes wie die Bilder seiner Mutter oder seines Zuhauses lassen sich nicht mehr wegschieben und zwingen ihn zum Nachdenken. Der wortkarge, gefühllose Mann übernimmt Verantwortung für das Baby, kümmert sich um Nahrung und Obdach für den kleinen Menschen. Und je mehr er in seine Aufgabe hineinwächst, umso mehr verändert sich sein Charakter und sein Lebensrhythmus. Wo er früher auf Raubzügen unterwegs war, beschafft er jetzt die so dringend benötigte Milch für den Säugling. Zeiten, in denen er mit seinen Kumpanen abhing, verbringt er jetzt mit dem Kind und auf der Suche nach seinem eigenen Platz im Leben. Erstmals denkt Tsotsi über sich selbst nach und darüber, wovor er wegläuft. Mit den Erinnerungen an seine Vergangenheit kommt auch der Willen, seinen Alltag, ja seine ganze Lebenswelt grundlegend zu verändern. Doch das Schicksal hat anderes mit ihm vor…

Menschlichkeit triumphiert über Gewalt und Gleichgültigkeit, das Gute siegt über das Böse – dem Autor gelingt es, dies vollkommen kitschfrei darzustellen. Die innere Zerrissenheit seiner Hauptfigur, dessen trostloser Alltag und die allmähliche Veränderung darin, alles wird schnörkellos und in teilweise drastischen Worten geschildert. Vor allem ist Tsotsi ein Buch über die Kraft des Mitgefühls und die Überwindung von Haß und Gewalt, auch wenn es aussichtslos erscheint.
Ein packend geschriebener Psycho-Thriller, der den Leser noch lange nach der letzten Seite gefangenhält. Trostlos und gerade deshalb Hoffnung gebend.
Ein Weltklasse – Roman über das Gute in jedem Menschen, dessen Verfilmung 2006 den Oscar als Bester Ausländischer Film erhielt.

Veröffentlicht am 17. Juni 2007


Autor: Athol Fugard
Taschenbuch Ausgabe, 329 Seiten
Erschien: Mai 2006, Diogenes


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AfrikaRoman bewertet "Tsotsi" mit:
  • Gesamtbewertung
5

Über den Autor

Dagmar Iselt

Dagmar ist eines der Gründungsmitglieder des Literaturportals. Sie ist hauptberuflich Bibliothekarin und damit schon per se literaturbegeistert. Außerdem liebt sie es zu laufen, nebenberuflich Pilates zu unterrichten, zu kochen (und zu essen) und in der Welt umherzureisen. Dabei am liebsten im Gepäck: Bücher von Deon Meyer, Henning Mankell oder Chimamanda Ngozi Adichie.

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