Nigeria Bücher Rezensionen

C. N. Adichie: Blauer Hibiskus

Pubertät und Politik auf nigerianisch

Blauer Hibiskus, C. N. Adichie

Blauer Hibiskus von C. N. Adichie

Bestellen bei amazon.de
Blauer Hibiskus – gibt es ihn in dieser Färbung eigentlich?
Ja, zumindest im gleichnamigen Romandebüt von Chimamanda Ngozi Adichie, und ähnlich kostbar wie die Blüten des Malvengewächses ist auch dieses Buch.

Erzählerin ist die fünfzehnjährige Kambili, Tochter eines reichen nigerianischen Geschäftsmannes und in privilegierten Verhältnissen aufwachsend. Eine große Villa, exzellentes Essen, Hausangestellte – für den Teenager völlig normale Dinge.
Doch die schicke Fassade trügt. Der Vater, nach außen hin respektierter Geschäftsmann und freigiebiger Spender, einflußreicher Herausgeber einer regierungskritischen Zeitschrift und eifriger Kirchgänger, entpuppt sich in den eigenen vier Wänden als brutaler Despot. Kambili, ihr Bruder Jaja und ihre Mutter – alle leiden unter seinen Demütigungen und der Gewalt, die er auch körperlich ausübt. Als fundamentalistischer Katholik duldet er keinerlei Abweichung vom „einzig wahren Glauben”, Verstösse werden äußerst drastisch geahndet. So bricht er seinem Sohn wegen eines geringfügigen Vergehens den Finger, prügelt seine Tochter mit einem Ledergürtel blutig und schlägt seine Frau so sehr, daß Sie eine Fehlgeburt erleidet. Mißhandlung, die sich als Liebe tarnt und Quälerei, die vorgibt, Erziehung zu sein – so beschreibt sich der Umgang des Vaters mit seinen Kindern und seiner Frau wohl am besten.
Kambili empfindet zwar die Ungerechtigkeit dieses Tuns, aber ihr fehlt die Kraft, gegen den alleseits verehrten Vater aufzubegehren, den sie fürchtet, aber auch liebt und bewundert und dessen Gottesfürchtigkeit sie nacheifert.
Eine Wende bringt erst der Besuch von Kambili und ihrem Bruder bei der Tante und deren Familie. Dort lernen die Geschwister eine völlig neue Welt kennen. Tante Ifeoma, Universitätsprofessorin und allein erziehende Mutter von vier Kindern, ist zwar auch Katholikin, aber nicht auf so extreme Art wie ihr Bruder. In ihrer kleinen, engen Wohnung ist auch der Großvater der Kinder ein gern gesehener Gast, ganz anders als in Kambilis Elternhaus. Dort hat „Papa Nnukwu”, wie er liebevoll genannt wird, Hausverbot. Er betet die alten Igbo-Götter an und ist in den Augen seines Sohnes deshalb ein unwürdiger Heide, mit dem Umgang zu haben ewige Verdammnis bedeutet. Tante Ifeoma und ihre Kinder dagegen lieben und ehren den alten Mann und auch Kambili und Jaja fühlen sich sehr wohl mit ihrem Großvater. Das Familienleben ist lockerer und nicht so von Zwängen reglementiert. Zum ersten Mal merken die Geschwister, wie es ist, gemeinsam zu lachen und freimütig über alles reden zu dürfen. Der enorme Druck, den ihr Vater auf sie ausübt, ist verschwunden und jetzt erst richtig spürbar. Und Kambili verliebt sich zum ersten Mal…
Natürlich ist nach der Rückkehr ins Elternhaus für Kambili und ihren Bruder nichts mehr wie vorher. Die Spannungen innerhalb der Familie spitzen sich zu und die Eskalation läßt nicht lange auf sich warten… .

Auch wenn das Ende etwas melodramatisch und unglaubwürdig geraten ist – Blauer Hibiskus zieht den Leser total in seinen Bann. Die Perspektive der 15jährigen Erzählerin kommt glaubwürdig daher, der Alltag nigerianischer Familien wird lebensnah geschildert. Die Charaktere sind realistisch gezeichnet und zum Glück wird einmal nicht das Klischee vom armen Afrikaner bedient. Die Warmherzigkeit Tante Ifeomas und im Gegensatz dazu der Despotismus des Vaters, das stille Leiden von Kambilis Mutter und das Aufbegehren der Geschwister – alles wird glaubwürdig, lebendig und leidenschaftlich beschrieben. Blauer Hibiskus läßt zeitweilig beim Lesen den Atem stocken – allerdings in positivem Sinne. Bitte mehr davon!

Chimamanda Ngozi Adichie: Blauer Hibiskus, gebunden mit Schutzumschlag, Luchterhand Literaturverlag, 2005, 318 Seiten, ISBN 3-630-87181-X

Veröffentlicht am 05. Oktober 2006

Bestellen bei amazon.de

 

AfrikaRoman bewertet "Blauer Hibiskus" mit:
  • Gesamtbewertung
5

Über den Autor

Dagmar Iselt

Dagmar ist eines der Gründungsmitglieder des Literaturportals. Sie ist hauptberuflich Bibliothekarin und damit schon per se literaturbegeistert. Außerdem liebt sie es zu laufen, nebenberuflich Pilates zu unterrichten, zu kochen (und zu essen) und in der Welt umherzureisen. Dabei am liebsten im Gepäck: Bücher von Deon Meyer, Henning Mankell oder Chimamanda Ngozi Adichie.

Hinterlasse einen Kommentar