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Gerhard Seyfried: Herero. Rezension

Gerhard Seyfried: Herero
Geschrieben von Sven R.

Am 12. Jan. 1904 erhob sich das Volk der Herero zu einem Aufstand gegen die deutsche Kolonialherrschaft in Deutsch-Südwestafrika, der heutigen Republik Namibia.
Auf Geheiß des Oberhäuptlings Samuel Maharero wurden über 100 dt. Siedler, zum Teil grausam, ermordet. Anfangs war die kaiserliche Schutztruppe der Kolonie dem völlig unerwarteten Aufstand nicht gewachsen…. Die Schlacht am Waterberg, am 11. Aug. 1904, brachte den dt. Kolonialtruppen den entscheidenden Vorteil. In der Folge gelang es einem Großteil des Hererovolkes, wie es von Generalleutnant von Trotha listig geplant war, in die wasserarme Omaheke-Wüste zu entkommen. Tausende verfolgte Hereros verdursteten in den westlichen Ausläufern der Kalahari. Insgesamt fielen, während dieses dunklen Kapitel deutscher Kolonialgeschichte, von 1904-1908 schätzungsweise 60000 Herero.

Herero von Gerhard Seyfried

Herero von Gerhard Seyfried

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Mit diesem erstzunehmenden Thema deutscher Geschichte setzt sich Gerhard Seyfried in seinem ersten Roman auseinander.

Zuvor trugen seine Bücher Titel wie Freakadellen und Bulleten oder Hanf im Glück.

Mit Herero hingegen verarbeitet er kein einfaches Thema. Man sollte sich die Frage stellen: war der Krieg der deutschen Beherrscher des Landes ein “normaler” Kolonialkrieg oder vielmehr ein gewollter Genozid? Der Autor selbst entzieht sich in gewissem Maße einer subjektiven Bewertung des Krieges.

Abwechselnd erzählt er aus der Sicht dreier Hauptfiguren. Da wären zum einen der Landvermesser Carl Ettmann und der Fotografin Cecilie Orenstein, die beide kurz nach ihrer Ankunft in Deutsch-Südwest in die Vorbereitungen zum ersten deutschen Völkermord der Geschichte hineingeraten. Mit Carl Ettmann schreibt er aus der Perspektive eines deutschen Soldaten, der sehr detailliert über die Lage der dt. Schutztruppe informiert, während Cecile so zu sagen auf eigene abenteuerliche Faust Deutsch-Südwestafrika kennenlernt. Die Figur des Herero Petrus stellt das Gegenstück der deutschen Sichtweise da, welche in diesem Buch vorherrscht. So gelingt Seyfried der Spagat zwischen historischem Dokument und einer fiktiven Geschichte: die des Schicksals eines Kartographen, der eher zufällig in den Krieg gerät.

Der Roman beruht auf einer Vielzahl geschichtsträchtiger Dokumente, auf Briefen, Fotografien, Telegrammen und Akten, die der Autor in den deutschen Archiven, in denen jene Kolonialerinnerungen verstreut sind, zusammengesucht hat. So wird die Kriegsmaschinerie der Deutschen streckenweise zu detailliert beschrieben. Auch geht Seyfried, aus meiner Sicht, zu locker mit dem Begriff des “Wilden Schwarzen” um, welchen er oft als “Kaffer” bezeichnet und mit einer sehr einfachen und für den Leser heiteren Sprachweise ausstattet. Das könnte falsch verstanden werden und alte Klischees festigen. Doch will der Autor damit die allgemeingültige Handlungs- und Denkweise der damaligen Kolonialmächte wiederspiegeln!

Ob der Cartoonist Seyfried mit Herero der historischen Realität und damit dem grausamen Massaker an den Hereros gerecht werden kann, sei dahin gestellt. Doch nimmt Seyfried den Leser mit auf eine spannende Zeitreise in ein Land von grandioser Schönheit. Er erspart uns die schlimmsten Grausamkeiten; dafür zeigt er, wie sich Kolonialismus und Rassismus in den Köpfen festgesetzt hatten, so dass eigentlich ganz normale Leute “den Afrikaner” nicht wirklich als Menschen ansahen.

Gerhard Seyfried: Herero

Gerhard Seyfried: Herero

Herero ist eine akribisch recherchierte Geschichte, ein fesselnder Historienroman, eine beeindruckende Lektüre, die für Gesprächsstoff sorgte, vorallem aber ein beinahe vergessenes Stück deutscher Geschichte.

Veröffentlicht am 29. Mai 2005

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Update: Freitag, 28.05.2021

Deutschland erkennt Verbrechen an Herero und Nama als Völkermord an.

Die Bundesregierung erklärte, dass sich aus ihrer Anerkennung des Völkermords und der Gründung des Hilfsfonds keine rechtlichen Ansprüche auf Entschädigung ergeben, sondern dass es um eine politisch-moralische Verpflichtung geht.

“Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen”, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Freitag.

AfrikaRoman bewertet "Herero" mit:
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5

Über den Autor

Sven R.

Sven ist Gründer und Initiator von AfrikaRoman.de, dem Literaturportal über afrikanische Romanliteratur in Deutschland. Wenn es die Zeit erlaubt, schreibt er auch gerne mal Rezensionen für das Literaturportal. Sein Lieblingsautor ist Andrew Brown.

1 Kommentar

  • Hallo, habe das Buch ebenfalls gelesen. Hat mir gut gefallen. Auch die Anmerkung über die Anerkennung des Genozids. Ich habe jahrelang über diese Zeit in Südwestafrika recherchiert, bevor ich vor einigen Monaten meinen Roman veröffentlicht habe.

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