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Fußball in Afrika – Special zur Fußball-Weltmeisterschaft 2010

Teil 2: Interview mit dem Autor und Journalisten Bartholomäus Grill, der als Korrespondent der ZEIT über die Fussball-Weltmeisterschaft in Südafrika berichtet

13.05.2010

Interview mit Bartholomäus Grill

AfrikaRoman: Herr Grill, was verbindet Sie mit Afrika?

Bartholomäus Grill: Schon als kleiner Junge hat mich der Kontinent fasziniert, viel mehr als Cowboy- und Indianerspiele. „Kilimandscharo” oder „Serengeti” – das hatte einen magischen Klang. Auch im Soziologie-Studium beschäftigte ich mich mit Afrika und Entwicklungsfragen. Und als Journalist wollte ich unbedingt aus Afrika berichten.

AfrikaRoman: Was unterscheidet den afrikanischen vom europäischen Fußball?

Bartholomäus Grill: Wenn wir die Nationalteams, die bei der WM dabei sind, vergleichen, gibt es nur wenige Unterschiede, denn alle Spieler kicken in den europäischen Topligen. Alle kennen sich, alle spielen dasselbe System. Das führt oft zu Problemen, wenn die afrikanischen Europa-Legionäre in ihren Nationalmannschaften antreten. Superstars wie Drogba oder Eto’o vermissen die Ordnung ihrer europäischen Teams und haben Schwierigkeiten, sich dem jeweiligen Trainer unterzuordnen. Weil das gewohnte System fehlt, bringen sie oft nicht die Leistungen, die man von ihnen erwartet. Beim letzten Afrika-Cup in Angola war das sehr deutlich zu sehen.

Was die afrikanischen Fans angeht: ihre Leidenschaft für Fußball ist gewaltig. Fußball hat in Afrika einen höheren Stellenwert als in Europa, vor allen bei Kindern. Weil in ihren armen Dörfern oder Stadtvierteln Fußball oft nur das einzige Vergnügen ist. Deutsche Wohlstands-Kids haben Computer, jede Menge Spielsachen und Freizeitangebote – und Fußball. Afrikanische Kinder haben einen staubigen Bolzplatz und einen Ball, den sie sich oft selber aus alten Socken oder Plastikmüll basteln. Und sie träumen, irgendwann einmal aus der Armut herauszudribbeln. Das erklärt die große Faszination, die dieser Sport in Afrika ausstrahlt.

AfrikaRoman: Was halten Sie von den Verlautbarungen, dass Südafrika es nicht schafft, bis zu Beginn der WM Stadien und Infrastruktur bereitzustellen? Panikmache oder berechtigte Sorge?

Bartholomäus Grill: Wenn die FIFA sich Sorgen macht, hat das taktische Gründe: Sie will dem jeweiligen Gastland Beine machen. Die in den Medien immer wieder geäußerten Zweifel, Südafrika sei mit der WM hoffnungslos überfordert, hat mit der europäischen Wahrnehmung von Afrika zu tun, mit all den Klischees und Stereotypen. Afrika gilt als Kontinent der Kriege, Krisen und Katastrophen. Wie könnten die chaotischen Afrikaner das größte aller Turniere veranstalten?

Sie werden demnächst beweisen, dass sie es können. Die Stadien werden nie fertig, hieß es. Alle Stadien sind früher fertig geworden als bei jeder WM vorher. Die Tickets werden nicht verkauft, sagten die Kritiker. Jetzt sind 90 Prozent aller Karten verkauft. Die Südafrikaner haben die Pessimisten widerlegt und ihre Devise befolgt: Yes, Afri-can! Wir können es auch! Im übrigen hat das Land längst bewiesen, dass es große Veranstaltungen durchziehen kann. Der Rugby-Weltcup 1995 war zum Beispiel ein voller Erfolg.

AfrikaRoman: Sie sind selbst fußballbegeistert. Wagen Sie eine Prognose, wer 2010 Weltmeister wird?

Bartholomäus Grill: In meiner engeren Auswahl sind Brasilien, Argentinien, England und eventuell auch Deutschland. Und was die Afrikaner angeht: Da hoffe ich, dass es die Elfenbeinküste weit bringt. Mein Geheimtipp ist allerdings Spanien.

AfrikaRoman: Was lesen Sie momentan? Haben sie einen Buchtipp für unsere Leser?

Bartholomäus Grill: Ich lese momentan Mafeking Road von Herman Charles Bosman. Es sind Erzählungen, die den Alltag der Buren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beschreiben und sich zu einem Sittenbild dieses merkwürdigen Volkes verdichten, dass sich selber als „weißer Stamm” Afrikas sieht. Ihr Weltbild wird authentisch vermittelt, auch ihre Obsessionen und rassistischen Vorurteile. Es ist also kein „politisch korrektes”, aber ein sehr spannendes Buch.

Außerdem empfehle ich Mandelas Weg von Richard Stengel. Der amerikanische Autor ist mit Nelson Mandela befreundet und hat ihm beim Verfassen seiner Autobiographie Der lange Weg zur Freiheit beraten. Stengel beschreibt in seinem Buch den Charakter des größten Freiheitskämpfers unserer Zeit – eine wunderbare Lektüre.

Herr Grill, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte: Dagmar Sachse

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