Lesung mit Corinne Hofmann

Corinne Hofmann liest aus “Wiedersehen in Barsaloi”
09. Juni 2005, Halle, Haus des Buches

Nein, wie eine Frau, die jahrelang bei den Massai gelebt und dort Entbehrungen ausgesetzt war, sieht Frau Hofmann wirklich nicht aus: rötlich gefärbte Haare, dezentes Makeup, sehr gepflegtes Äußeres. Aber immerhin sind seit ihrer abenteuerlichen Flucht aus Kenia 14 Jahre vergangen, ihre damals anderthalbjährige Tochter Napirai ist mittlerweile ein Teenager.

Lesung mit Corinne Hofmann

Corinne Hofmann während einer Lesung in Halle an der Saale

Mit mir sind etwa 180 – 200 Besucher ins hallesche Haus des Buches am Markt gekommen, um Frau Hofmanns Lesung beizuwohnen. Ich sehe mich um und muss schmunzeln, senke ich mit meinen 31 Jahren doch eindeutig den Altersdurchschnitt der Zuhörer, denn der Rest der Besucher bewegte sich altersmäßig zwischen Ende Vierzig und Mitte Sechzig. Ebenfalls auffallend war der überwältigende Frauenanteil: Männer konnte ich in dem gut gefüllten Saal nur zwei entdecken, die sich sichtlich etwas verloren vorkamen. Aber sowohl das Erstlingswerk “Die weisse Massai” wie auch die beiden folgenden Bücher von Frau Hofmann sind halt auch “typische” Frauenromane: emotionsgeladen, voller Liebe, Herz und Schmerz – genau das Richtige für die kleine Flucht aus dem Alltag zwischen Arbeiten, Bügeln, Kochen und Wäschewaschen.

Sympathisch war mir Frau Hofmann von dem Augenblick an, als sie die Bühne betrat: der beschaulich wirkende Schweizer Dialekt, das Lachen in den Augen, die Bewegung in der Stimme, als sie über das Wiedersehen mit ihrem Ex-Mann Lketinga, dessen Bruder James und der von ihr sehr geliebten Schwiegermutter spricht. Man spürt: diese Frau lässt sich von ihrem Herz lenken. Erstaunlich (weil für mich nicht nachvollziehbar) fand ich ihre vollkommene Anpassung an die afrikanische Kultur, so bald sie das kenianische Dorf, aus dem sie vor 14 Jahren geflohen war, wieder betritt: sie akzeptiert, dass ihr Ex-Mann ihr beim ersten Wiedersehen keinen Schritt entgegenkommt, weil dies eines Massai-Kriegers nicht würdig ist. Sein für Europäer doch sehr zweifelhaftes Kompliment “You looks like a very big old mama” (was ich für sehr übertrieben halte, Frau Hofmann ist ausgesprochen schlank) nahm sie mit Humor. Auch seinen offenkundigen Unwillen darüber, dass sie “seine” Tochter nicht mitgebracht hatte, nahm sie gelassen. Die Sitte, dass die Frauen zu essen bekommen, was die Männer übriglassen, obwohl sie das Kochen besorgen, entlockte ihr nur ein Lächeln und selbst als sie der Medizinfrau begegnet, die die jungen Mädchen des Dorfes beschneidet, ist ihr Tadel milde: sie findet die Frau allenfalls “unsympathisch”.

Wahrscheinlich ist Frau Hofmann einfach aus Erfahrung klug, hat sie doch 3 Jahre dort im Dorf als Massai – Ehefrau verbracht und weiß, dass Auflehnung gegen die teilweise rückschrittlichen und barbarischen Bräuche vollkommen sinnlos ist.

Am besten gefielen mir die Worte ihrer Schwiegermutter, die von ihr stets nur liebevoll “Mama” genannt wurde: diese verglich die damalige Stellung Frau Hofmanns im Dorf mit der von Schwarzen und Mulatten in Europa: beiden wurde bzw. wird Misstrauen und oftmals auch offener Hass entgegengebracht, denn den Afrikanern fällt der Umgang mit Menschen aus einer anderen Kultur ebenso schwer wie umgekehrt vielen von uns der Umgang mit Menschen aus anderen Kulturkreisen.

Nach der Lesung überraschte die Autorin noch mit einem kurzen Ausschnitt aus dem Filmmaterial, welches bei ihrem Besuch in Kenia entstand. Man sieht Barsaloi und einige seiner Bewohner und auch das Innere einer Hütte. Ich bin entsetzt über die unhygienischen und ärmlichen Bedingungen, Frau Hofmann aber spricht begeistert von dem “Fortschritt”, der mittlerweile ins Dorf eingezogen ist. Wie muss es erst vor 14 Jahren dort ausgesehen haben? Das möchte ich mir lieber nicht vorstellen.

Außerdem fährt die Autorin gemeinsam mit ihrem Kameramann zum Drehort von “Die weiße Massai”. Der Film zum Buch wird vorraussichtlich ab Mitte September 2005 in den deutschen Kinos laufen. Die Hauptrolle spielt die deutsche Schauspielerin Nina Hoss, bekannt u. a. aus “Das Mädchen Rosemarie”. Frau Hofmann spricht begeistert von der Schauspielerin und ihrer darstellerischen Leistung. Auch ihre fast naive Verwunderung darüber, mit welchem Aufwand der Kraal nachgebaut wird, in dem sie damals in Barsaloi lebte, macht sie mir sympathisch.

Und auch wenn die von ihr geschriebenen Bücher vielleicht nicht 100%ig meinen Geschmack treffen, strahlt die Autorin eine Herzenswärme aus, der man sich nicht entziehen kann.

Mein Fazit: ein aufschlussreicher, unterhaltsamer Abend, der wissenswerte Hintergrundinformationen zu den Romanen der Autorin liefert und auch einen persönlichen Eindruck von ihr vermittelt: nicht nur für Hofmann-Fans empfehlenswert!

Autor: Dagmar Iselt