Rezensionen

Henning Mankell: Die rote Antilope

Eine Geschichte über das Heimweh und ein erschütterndes Gleichnis über die Wurzeln des Fremdenhasses.

Ich sehe den Jugen vor mir, mutterseelenallein auf den lehmigen Äckern in Schonen, im Nebel. Wie er dasteht und horcht nach den Trommeln in der Ferne …

Henning Mankell

Henning Mankell: Die rote Antilope

Henning Mankell: Die rote Antilope

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Im Jahre 1877 findet der schwedische Foschungsreisende Hans Bengler am Rande der Kalahariwüste einen verwaisten Eingeborenenjungen und beschließt, für ihn zu sorgen. Dazu muß er ihn nach Europa mitnehmen. Doch obwohl Daniel (der eigentlich Molo heißt) die schwedische Sprache rasch versteht, wird er sich in diesem kalten Land nie heimisch fühlen. Er muß Schuhe tragen, an Türen klopfen und sich pausenlos anstarren lassen: die meisten Schweden haben nie zuvor einen Schwarzen gesehen.

Als sein Ziehvater mit dem Gesetz in Konflikt gerät, kommt Daniel zu einem kinderlosen Bauernpaar, wo man ihn zum Christentum bekehren will. Angeregt durch die biblische Geschichte, beschließt er zu lernen, wie Jesus auf dem Wasser zu gehen, um über das Meer nach Afrika zurückzukehren. Doch diese Sehnsucht wird ihm zum Verhängnis.

AfrikaRoman-Rezension zu: Die rote Antilope

Allein in der Fremde
Dieses Buch ist kein herkömmlicher Afrika-Roman, denn die Handlung spielt über viele Seiten in Schweden.
Dorthin wurde der etwa 11jährige Molo aus seiner südafrikanischen Heimat am Rande der Kalahari-Wüste vom schwedischen Abenteurer Hans Bengler mitgenommen. Der begegnet dem Waisenkind durch Zufall in einer weißen Handelsstation, eingetauscht von Buschleuten gegen eine Sack Mehl nach der Ermordung seiner Familie durch weiße „Herrenmenschen“. Er nennt ihn Daniel und nimmt ihn als seinen Sohn an.
Dabei kommt in dem innerlich zerissenen Insektenforscher, geprägt von Selbstzweifeln, Ehrsucht und Engstirnigkeit, niemals die Frage auf, was der Junge selbst will, auch seine Vergangenheit, die schrecklichen Erlebnisse interessieren ihn nicht im Geringsten.
Statt dessen versucht er, ihn zu einem gefügigen „zivilisierten“ Geschöpf zu dressieren und nutzt ihn bald als Publikumsmagnet, um für seine Vorträge über die Insektenwelt Südafrikas möglichst viel zahlende Zuhörer anzulocken. Die haben noch nie einen schwarzen Menschen gesehen haben und fürchten ihn mehrheitlich als „Teufel“. Als das durch eigenes Verschulden nicht mehr möglich ist, lässt er ihn im Stich und bei schwedischen Bauern gegen ein geringes Entgelt zurück, um sich allein erneut auf Afrikafahrt zu begeben.
Molo findet sich in der ihm fremden Welt nie zurecht und sehnt sich nur danach, nach Hause in die Wüste zurückzukehren. Aber alle seine Fluchtversuche scheitern, nicht zuletzt am Unvermögen der Menschen, denen er begegnet, sich in ihn hineinzuversetzen und sein tödliches Heimweh zu verstehen.
Mankell zeichnet in seiner bildreichen, einfühlsamen Sprache ein bedrückendes Bild einer Gesellschaft, die noch in mittelalterlich anmutenden Vorurteilen befangen sich einbildet, zivilisiert zu sein. Deswegen maßt sie sich an, die „Wilden“ Afrikas als aussterbende minderwertige Menschengattung, den Tieren nahe zu sehen und sie auch so zu behandeln.
Nur manchmal, bei einzelnen Menschen, denen Molo begegnet, scheint wahre Menschlichkeit und Vernunft auf, ohne sich durchsetzen zu können gegen grausame Umstände.
Ein sehr lesenswertes Buch, von Mankell in bewährter Manier spannend und unterhaltsam, trotz des vorhersehbar traurigen Ausgangs immer auch optimistisch und mit einem Schuß Humor erzählt.


Henning Mankell: Die rote Antilope
Rezensent: Frank Gotthardt aus Weiden in der Oberpfalz
Veröffentlicht am 3. Dezember 2005


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1 Kommentar

  • Ich habe „Die rote Antilope“ gelesen, es als mein Referatsthema in Deutsch gewählt! Ich habe im Internet viel schlechte Kritik gelesen und bin mir selber völlig unschlüssig was ich von diesem Buch halten soll!
    Wenn ich lange Zeit am Stück gelesen habe, habe ich mich dabei ertappt, in diese von Henning Mankell, krass beschriebene Welt einzutauchen – eine gewisse Traurigkeit hat mich umgeben. Das würde meiner Meinung nach für dieses Buch sprechen.
    Ich finde es sagt aus, dass es scheinbar doch nicht heile Welt ist, ein afrikanisches Kind in unsere zivilisierte Welt zu holen und die Absicht haben, ihm ein besseres Leben zu bieten. Eigentlich auch einleuchtend das dies nur vordergründig „einfach“ zu sein vermag!

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